A technician in a cleanroom suit walks through a sterile laboratory

mRNA: Flaschenpost fürs Immunsystem

Klingt nach Science-Fiction, ist aber Realität: Der eigene Körper kann selbst einen Impfstoff herstellen und sich helfen, schädliche Viren gezielt zu bekämpfen – durch neuartige mRNA-Vakzine. Sie senden Zellen per „Flaschenpost“ den Bauplan für spezifische Proteine, die wiederum das Immunsystem trainieren und fit machen gegen unerwünschte Eindringlinge. Die Technologie wurde lange ignoriert und ihr Potenzial unterschätzt. Nun ist Messenger-RNA eines der hoffnungsvollsten Forschungsgebiete der Medizin – und könnte nach COVID-19 schon bald vor Krebs, Malaria und HIV schützen.

Christine Fuhr, PR & Communications Manager at SCHOTT Philipp Steffens RYZE Digital

Von Christine Fuhr, Phillip Steffens

9 min read

Als ein maßgeblicher Akteur gewährleistet SCHOTT Pharma die sichere Aufbewahrung und Verabreichung von mRNA-Impfstoffen und unterstützt damit Errungenschaften in der medizinische Forschung zur Bekämpfung von Krankheiten wie Krebs, Malaria und HIV.

  • Die mRNA-Technologie verspricht innovative Therapiemöglichkeiten in der personalisierten Medizin und Krebs- sowie Gentherapieforschung.
  • mRNA-Impfstoffe trainieren das Immunsystem, spezifische Viren zu bekämpfen.
  • SCHOTT Pharma bietet sichere Lösungen zur Aufbewahrung und Verabreichung von mRNA-Impfstoffen, sodass sie Patienten sicher erreichen.

Wie der Körper zielgenau Viren überlistet

Es ist ein Dilemma: Viren mutieren stetig. Sie passen sich an und erfolgreichere Virenstämme setzen sich durch. Impfstoffe, die einst zuverlässig waren, können so bei manchen Krankheiten Wirkung verlieren und nicht mehr ausreichend schützen. Besonders in Pandemien, in der sich weltweit eine große Anzahl von Menschen mit einem neuen Virus infiziert, wird die lange Reaktionszeit in der herkömmlichen Impfstoffentwicklung und -produktion zu einem Problem.

Völlig neue Möglichkeiten bieten genbasierte Technologien, die den Körper zur Eigenproduktion von Impfstoffen aktivieren: Anstatt komplette Viren zu verwenden und große Mengen von Krankheitserregern im Labor zu züchten oder deren Antigene zu verwenden, was viel Zeit in Anspruch nimmt, senden Messenger-RNA-Impfstoffe den Bauplan für ein Protein direkt in die Zelle. Diese Technologie ermöglicht eine schnellere Produktion, da sie keine lebenden Viren oder Zellkulturen benötigt. Die mRNA kann direkt synthetisiert werden, was den Prozess erheblich beschleunigt. Die Zelle verwendet dann den Bauplan, um mit der Produktion spezifischer Proteine zu beginnen, die einem Protein auf der Oberfläche des Virus ähneln. Das Immunsystem wird dadurch trainiert, „merkt sich“ das Aussehen der Proteine und kann das Virus, wenn es im Körper ist, erkennen und bekämpfen.

Vor der Pandemie wurde die mRNA-Technologie bereits zur Therapie anderer Erkrankungen als COVID-19 erforscht. Dem Körper Informationen zu liefern, welche Proteine er bauen soll, verspricht nahezu unbegrenzte Möglichkeiten bei der Entwicklung medizinischer Wirkstoffe – und könnte die Medizin grundlegend verändern. Denn fast alle Krankheiten basieren auf fehlerhaften Proteinen. Per mRNA verfügt man über eine Art Schweizer Taschenmesser – mit den richtigen Werkzeugen für Autoimmunerkrankungen über HIV bis hin zur Behandlung von Tumorzellen bei Krebs.

Die Entstehung von Impfstoffen

Die Suche nach einem effektiven Schutz vor infektiösen Krankheiten beschäftigt Menschen seit Jahrhunderten. 1796 gelang der Durchbruch als der englische Arzt Edward Jenner einen Jungen mit Kuhpocken infizierte und ihn damit gegen Menschenpocken immun machte – gegen eine der gefährlichsten Krankheiten in Europa gab es nun ein wirksames Mittel.

Impfstoffe haben sich kontinuierlich weiterentwickelt, vorhandene Wirkstoffe wurden effektiver und immer mehr Menschen immun gegen Krankheiten wie Tollwut, Diphtherie, Grippe, Polio und Tetanus. 1980 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Pocken für ausgestorben. Ein bisher einzigartiger Erfolg.

 
Physician performing vaccination

Wie kommt mRNA sicher ans Ziel?

Einer Zelle zu sagen, dass sie Proteine herstellen soll, ist kompliziert. Und wie schickt man so einen genetischen Code in die Zellen?

Lange Zeit hielt man das für unmöglich. Ein Grund dafür ist die Instabilität der mRNA außerhalb der Zellen, was einen Austausch von Zelle zu Zelle verhindert. Eigentlich ein Mechanismus gegen genetische Fehlkommunikation. Auch im Körper von Säugetieren führt virale mRNA zu schweren Entzündungsreaktionen – denn das Immunsystem erkennt die genetische Botschaft (genau so wie Viren und Bakterien) als fremd und bekämpft sie. Das bedeutet: Solange es keinen Schutzmechanismus für die Information gibt, ist die Messenger-RNA nicht geeignet, die körpereigenen Abwehrkräfte zu konditionieren.

240906_Schott_healthcare_DE_02.jpg

Hier setzt die Forschung von Katalin Karikó und Drew Weissman an. 2005 fanden beide die Lösung für die Entzündungsreaktionen: Die mRNA von Säugetieren wird vom menschlichen Körper nicht bekämpft wie direkte Informationen von Viren, vermutlich weil der genetische Code etwas anders ist. Nach und nach veränderten die Forschenden ihre Messenger-RNA, bis sie vom Immunsystem nicht mehr erkannt wurde. Dafür verpackten sie die Nachrichten in Liquidnanopartikeln (LNPs). Das sind Fettpartikel, die die mRNA umgeben und schützen, ähnlich wie das Glas bei einer Flaschenpost, die den Brief vor Wasser bewahrt. Der Weg in die Zelle war damit frei – mRNA kann nun theoretisch für Therapien genutzt werden.

Neben der Tatsache, dass mRNA-Impfstoffe funktionieren, müssen eine Reihe von Herausforderungen überwunden werden: von der Herstellung über deren Transport bis hin zur Aufbewahrung. 

Die Entwicklung eines mRNA-Impfstoffs beginnt am Computer. Hier wird die genetische Botschaft definiert, die in die Zelle geschleust werden soll. Dazu wird DNA synthetisiert und mithilfe des Enzyms RNA-Polymerase können mRNA-Stränge hergestellt werden. Diese enthalten die wichtigen Informationen, beim Coronavirus beispielsweise die genetische Sequenz für das Spike-Protein, mit dem das Virus an Zellen andockt.

Wie mRNA-Impfstoffe das Immunsystem vorbereiten

Die Crux: Damit die mRNA stabil bei Patienten ankommt, muss sie bei Minustemperaturen von bis zu -100 °C in geeigneten Pharma-Verpackungen aufbewahrt werden. Transportiert werden sie meist in Trockeneisboxen, damit die Temperatur konstant niedrig gehalten werden kann. Diese Boxen eignen sich prima, wenn mehrere Dosen eines Wirkstoffs in Fläschchen verpackt sind, um dann an Impfzentren, Arztpraxen und Krankenhäuser effizient verschickt zu werden. Wenn geimpft wird, können die Fläschchen aus der Tiefkühlung entnommen und mehrere Tage in gewöhnlichen Kühlschränken aufbewahrt werden. Bei der hohen Nachfrage war das in der Pandemie ein effizientes System. 

Mit dem Rückgang der Krankheitsfälle verschoben sich die Anforderung: Anstatt vieler Impfdosen, werden zunehmend einzelne benötigt. Für zukünftige Anwendungen, die aktuell in der Forschung sind, werden mRNA-Wirkstoffe eher in kleinen Chargen, Stichwort personalisierte Medizin, benötigt. Und für diese braucht es geeignete Verpackungs- und Transport-Lösungen.

Revolutionäre Forschung

Die beiden Forschenden, die Biochemikerin Katalin Karikó und der Immunologe Drew Weissman lernten sich 1997 zufällig an einem Fotokopierer (!) an der Universität von Pennsylvania kennen. Karikó forschte damals schon seit Jahren an mRNA, zuerst als Doktorandin an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Als sie ihren Job verlor, ging sie in die USA, um dort weiter die Potenziale von mRNA zu entschlüsseln. Weissman hingegen wollte einen Impfstoff gegen HIV entwickeln und sah die Chancen, die Karikós Arbeit dafür bot.

Drawing of Nobel Prize winners Katalin Karikó and Drew Weissman in the field of Immunology
Für ihre Grundlagenforschung zur mRNA-Technologie haben Katalin Karikó und Drew Weissman den Nobelpreis 2023 für Medizin erhalten.

Sichere Verpackung von mRNA-Präparaten bei Tieftemperaturen 

„Tatsächlich funktioniert die mRNA-Technologie nur mit geeigneten Aufbewahrungslösungen, die die für das Trägermaterial im Vakzin, die Lipid-Nanopartikel, notwendigen tiefen Temperaturen sicher bedienen können“, erklärt Nina Krautwurst, Globale Produktmanagerin bei SCHOTT Pharma. „Wir entwickeln Fläschchen sowie Glas- und Polymerspritzen, bei denen die Materialien aufeinander abgestimmt sind. Mit unserer proaktiven Forschung zu Verpackungsmaterialkombinationen haben wir unsere Kunden dabei unterstützt, ihre Visionen zu verwirklichen.“

Manche mRNA-basierten Impfstoff- oder Therapieansätze benötigen extreme Temperaturen von -80°C und tiefer. „Hier ist die Polymerspritze eine Lösung“, so Nina. „Polymerwerkstoffe sind weniger spröde als Glaswerkstoffe und haben einen deutlich anderen Ausdehnungskoeffizienten. Das kann zum Beispiel in den Gefrierzyklen eines Glasbehälters zu Rissen oder Brüchen führen. Auch die Dichtigkeit ist entscheidend, da sich der abdichtende Gummistopfen beim Einfrieren anders verhält als das Glas selbst."

 

SCHOTT Pharma forscht an neuen Lösungen, die diesen anspruchsvollen Anforderungen standhalten. Spritzen aus einem speziell entwickelten Polymer, Cyclic Olefin Copolymer (COC), haben erste Priorität, wenn es um die Lagerung bei extrem niedrigen Temperaturen geht. Nina: „Die gesamte Spritze, einschließlich des Gummistopfens am Kolben, verformt sich gleichmäßig, so dass das Arzneimittel sicher geschützt bleibt. Das Polymer selbst ist in Kombination mit einer vernetzten Silikonschicht auf der Innenseite so konzipiert, dass es inert ist und eine Wechselwirkung mit dem gelagerten Arzneimittel verhindert.“

Fortschrittliche Lösung für tiefgekühlte Medikamente

Pharmazeutische Unternehmen wissen, dass die Aufrechterhaltung niedriger Temperaturen hohe Anforderungen an die Lagerung und Verabreichung von Medikamenten stellt. Die vorfüllbare Polymerspritze SCHOTT TOPPAC® freeze ist ideal für die sichere Lagerung und Verabreichung von tiefgekühlten Medikamenten bis zu -100 °C geeignet. Dank der Materialkombination, des Designs und der umfassend vorliegenden Daten zu Funktionalität, Sterilität, Container Closure Integrity (CCI) und Wechselwirkungen zwischen Medikament und Behälter bietet dieses hochmoderne Spritzensystem eine sichere, zuverlässige und hocheffektive Verpackungslösung für gefrorene und aufgetaute Medikamente.

Fortschrittliche Lösung für tiefgekühlte Medikamente

Therapien gegen Krebs, Malaria und Hepatitis C

Für ihre bahnbrechende Grundlagenforschung zu mRNA haben Katalin Karikó und Drew Weissman im vergangenen Jahr den Medizinnobelpreis gewonnen. Ihre Entdeckungen haben Millionen von Menschen geholfen – und die Chance, durch die Technologie bisher unbehandelbare Krankheiten zielgenau zu bekämpfen, könnte die Medizin für immer verändern.

Längst liegt der Fokus nicht mehr auf SARS-CoV-2. Auch mRNA-basierte Therapien für bakterielle Infektionen, Influenza, Hepatitis C, Gürtelrose, HIV, Malaria und M-Pox werden aktuell erforscht. Etwa 125 verschiedene mRNA-Medikamente befinden sich laut dem Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) gerade in der Entwicklung oder sind bereits am Markt.

Die mRNA-Technologie macht auch Hoffnung auf Krebstherapien, die gezielt Tumore erkennen und vernichten können. Krebszellen bilden aufgrund von Mutationen abgewandelte Proteine. Diese kommen in gesunden Zellen nicht vor und sind daher eindeutige Marker. Für jeden Krebskranken könnte somit eine individuelle Therapie entwickelt werden, sozusagen eine Impfung gegen Krebs. Firmen wie BioNTech und Moderna forschen an einer ganzen Reihe von Krebsvakzinen, die sich in unterschiedlichen Studienphasen befinden.

Auch bei Gentherapien verspricht mRNA einiges. Das Einschleusen von einer Botschaft per RNA kann krankmachende Veränderungen am Erbgut reparieren. Erste Forschungsversuche an der Neurokrankheit Huntington liefen bereits erfolgreich.

Der große Erfolg der mRNA-Impfstoffe hat das Potenzial dieser Technologie deutlich gemacht. Es sind nicht mehr nur zwei Einzelkämpfer, die sich zufällig an einem Kopierer getroffen haben und das Potenzial der mRNA erkannten. Vielmehr hat die Technologie eine ganze Branche revolutioniert und in ihren Bann gezogen und eröffnet ein neues Lösungsspektrum zur Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Menschen.



SCHOTT Newsletter

Bleiben Sie auf dem Laufenden: Melden Sie sich zu unserer Mailingliste an, um die neuesten Geschichten unseres Onlinemagazins unmittelbar nach Veröffentlichung zu erhalten.

Mit dem Absenden des Formulars erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Sie per E-Mail über unsere Angebote informieren, die Ihren Anforderungen entsprechen. Darüber hinaus verknüpfen wir Ihre personenbezogenen Daten mit anderen von Ihnen erfassten Informationen, um Ihr Nutzungserlebnis zu maximieren und unseren Berater*innen zu helfen, effizient mit Ihnen zu interagieren. Weitere Einzelheiten, einschließlich Ihrer Widerspruchsmöglichkeiten, finden Sie in unseren Informationen über das SCHOTT Kontaktprofil.