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Was Flusspferde mit braunem Glas gemeinsam haben

Bei einem Besuch im Shanghai Wild Animal Park machen zwei Glasexperten eine ungewöhnliche Entdeckung. Manche Mechanismen der Natur lassen sich auch auf Spezialglas übertragen.

Yixuan Jin, PR at Schott Xingzhi Gu, PR

Von Yixuan Jin, Xingzhi Gu

7 min read

Zwei Glasexperten diskutieren, wie man lichtempfindliche Medikamente vor der Sonne schützt.

  • Bernsteinfarbenes Borosilikatglas ähnelt dem natürlichen Sonnenschutz von Flusspferden.
  • Das Braunglas erfüllt strenge Qualitätsanforderungen für Pharmaverpackungen und schützt lichtempfindliche Medikamente effektiv.
  • Die sichere Verpackung von Medikamenten unterstützt das Gesundheitsziel der Vereinten Nationen.

Jede Sekunde treffen Milliarden Watt Sonnenenergie in Form von infrarotem, sichtbarem und ultraviolettem Licht auf die Erde. Die Sonne ist eine der wichtigen Energiequelle für unseren Planeten, die Natur und uns Menschen. Ihre Kraft ist enorm. Sie erschafft – und zerstört zugleich. Denn zu viel von ihr kann irreparable Schäden verursachen.

Ein Thema, das auch Dr. Folker Steden und Jocelyn Jiang umtreibt. Beide arbeiten vor allem mit Rohr aus Borosilicatglas für die Herstellung von pharmazeutischen Verpackungen, lassen sich aber von allen wissenschaftlichen Disziplinen inspirieren. Heute diskutieren sie über eine in der Zeitschrift Nature veröffentlichte Studie, die untersucht, wie Nilpferde den Sonnenbrand besiegen.

Jocelyn Jiang und Dr. Folker are in the office next to a desk, talking while Dr. Folker Steden points at his computer screen

Die Verfassenden der Studie fanden heraus, dass Flusspferde eine ganz besondere Art Schweiß absondern können. Dieser oxidiert in einen rötlichen Farbton und härtet dann zu einer bernsteinfarbigen Schicht aus. Die Forschenden stellten daher die Hypothese auf, dass die Pigmente die empfindliche Lederhaut der Flusspferde vor Schäden durch zu viel Sonneneinstrahlung schützen. Sie analysierten die abgesonderte Substanz und fanden heraus, dass diese Pigmente Licht im UV- und kurzwelligen sichtbaren Bereich absorbieren.

Im Geiste der Wissenschaft und mit einer reichlichen Portion Entdeckungsdrang beschließen Jocelyn und Folker, dem Shanghai Wild Animal Park einen Besuch abzustatten und das Schutzschild der Flusspferde mit eigenen Augen zu sehen. Obwohl es noch früh am Morgen ist, handelt es sich um einen typischen Sommertag in Shanghai mit über 30°C und einem hohen UV-Index – ein Strahlungsniveau, das der Nationale Wetterdienst als stark genug einstuft, um die menschliche Haut zu schädigen. Für Laien scheint die Haut der Flusspferde zu bluten. Doch in Wahrheit ist der pigmentierte Schweiß eine natürliche Form des Sonnenschutzes.

Natürlich ziehen Jocelyn und Folker direkt Rückschlüsse zu ihrem eigentlichen Fachgebiet. Denn eine ihrer zentralen Herausforderungen steht im direkten Zusammenhang mit ihren Erkenntnissen aus dem Reich der Tiere und Pflanzen:  Wie können lichtempfindliche Flüssigkeiten wie Medikamente wirksam vor Sonneneinstrahlung geschützt werden?

Die Wissenschaft von Licht und Farben

Laut Forschungen spielt das Pigment Melanin bei biochemischen Reaktionen in Verbindung mit UV-Strahlung eine zentrale Rolle. Im menschlichen Körper ist Melanin für die Farbe der Haut, Haare und auch der Augen mitverantwortlich.

"Im Wesentlichen können Pigmente durch Licht verursachte Schäden an wichtigen chemischen Molekülen, wie zum Beispiel Proteinen und bestimmten organischen Verbindungen, verhindern", weiß der promovierte Chemiker Folker. "Im Gegensatz zu robusten Substanzen haben lichtempfindliche Stoffe meist instabile funktionelle Gruppen. Die Energie des Sonnenlichts kann dann dazu führen, dass die schwachen chemischen Bindungen in den funktionellen Gruppen leicht reagieren und schließlich zum Verlust der molekularen Funktion führen."

Viele Antibiotika und andere wichtige Medikamente müssen vor Licht geschützt werden. Derivate des Medikaments Nifedipin zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben beispielsweise eine photochemische Halbwertszeit von nur wenigen Minuten. Vitamine sind ebenfalls lichtempfindliche Substanzen, die eine wichtige Rolle für das Wachstum, den Stoffwechsel und die körperliche Entwicklung des Menschen spielen. Dass Vitamine unter Lichteinwirkung leiden, stellt ein zusätzliches Risiko für Patienten dar, die eine sichere und zuverlässige Lagerung von Vitaminen benötigen. 

"Auch im Arzneimittelbereich streben wir einen 'Sonnenschutzeffekt' an – allerdings auf anorganische Weise", sagt Folker. Die Farbe der Glasrohre, aus denen später Verpackungen für Medikamente wie Fläschchen und Ampullen hergestellt werden, lässt sich durch verschiedene Parameter über den gesamten Herstellungsprozess fein abstimmen. Dazu zählen etwa der Anteil der Zusätze in der Gemengemischung, die Temperatur des Schmelzofens oder die exakte Wandstärke der Glasrohre. Durch die Zugabe von Eisenoxid und Titanoxid kann beispielsweise bernsteinfarbenes Glas entstehen, während die Zugabe von Eisenoxid-Manganoxid grünes Glas ergibt.

Dr. Folker Steden, sitting at a desk and looking directly into the camera
Dr. Folker Steden, Senior Principal Expert of Pharmaceutical Glass Tubing bei SCHOTT
Auch Spezialglas spiegelt mitunter das wider, was wir in der Natur sehen. Sowohl in seiner wissenschaftlichen Komplexität als auch in seinen vielfältigen Möglichkeiten.

Bereits vor über 100 Jahren stellte der Erfinder von Spezialgläsern, Otto Schott, erstmals bernsteinfarbenes Borosilicatglas als Verpackung für Arzneimittel her. So wie der Schweiß des Flusspferds die Haut vor dem Sonnenlicht schützt, absorbiert das so genannte Braunglas ultraviolettes und kurzwelliges sichtbares Licht zum Schutz lichtempfindlicher Arzneimittel. Doch im Gegensatz zu farbigem Glas, das zum Beispiel für die Verpackung von Getränken oder Kosmetika verwendet wird, sind die Qualitätsanforderungen für pharmazeutisches Braunglas um einiges höher. So darf keinerlei chemische Interaktion des Medikaments mit dem Glas stattfinden und es darf nur eine genau spezifizierte Menge an elektromagnetischem Licht im UV-Bereich durch das Glas dringen.

Schutz für lichtempfindliche Medikamente

Das FIOLAX® Borosilicatglas-Portfolio von SCHOTT ist seit mehr als einem Jahrhundert der Goldstandard für pharmazeutische Verpackungen. Wie auch die transparenten Varianten wird das bernsteinfarbene FIOLAX® Amber seit Frühjahr 2023 neben Deutschland auch in Indien und China lokal produziert. Dies erhöht die Verfügbarkeit von hochwertigem Typ I Borosilikatglas in Asien zur Deckung der wachsenden Nachfrage.

Schutz für lichtempfindliche Medikamente

"Wir nennen das bernsteinfarbene Glasrohr auch Borosilicatglas Typ I. Aus ihm werden Verpackungen für sogenannte parenterale Medikamente hergestellt. Sie werden über Injektionen verabreicht und gelangen direkt in den Blutkreislauf ohne den Magen-Darm-Trakt zu durchlaufen, was ihre Wirkung verbessert. Die Standards für diese Verpackungen sind jedoch deutlich höher", betont Jocelyn, die in Shanghai den Vertrieb des Glasrohres verantwortet.

Jocelyn Jiang sitting at a desk and talking to Folker
Jocelyn Jiang, Vertriebs- und Marketingdirektor von SCHOTT Tubing China
Seit seiner Erfindung im Jahr 1887 ist Borosilikatglas Typ I der Goldstandard für pharmazeutische Primärverpackungen.

Mehr Gesundheit für eine nachhaltige Zukunft

Gesundheit ist eine zentrale Säule des Lebens eines jeden Individuums und gleichzeitig die Grundlage für die langfristige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Vereinten Nationen definierten "Gesundheit und Wohlbefinden" als eines der 17 Ziele, um die Zukunft der Welt zu sichern. Wissenschaftliche Forschung und die Entwicklung neuer Medikamente sind dabei unabdingbar. Für deren sichere Verpackung sorgen High-Tech-Materialien, die im Einklang mit den Mechanismen der Natur stehen und Überdauern.

Abgelaufen? Nicht mit Spezialglas!

1989 stieß ein Mainzer beim Aussortieren der Habseligkeiten seiner gerade verstorbenen Tante auf einen alten Medizinschrank. Er übergab ihn einem Apotheker, der eine braune Flasche mit "Sympatol" entdeckte. Das Medikament wurde vor 50 Jahren vom deutschen Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim zur Behandlung akuter Herzprobleme hergestellt und wird heute nicht mehr verkauft. Der Apotheker kontaktierte das Pharmaunternehmen. Dort testete man aus Neugierde, wie sich das Medikament über die Jahre veränderte. Zur Überraschung der Boehringer-Forschenden zeigte der Test, dass es immer noch zu > 98,8 % wirksam war.

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Nach einem spannenden Tag im Wildtierpark resümiert Jocelyn: "Ich weiß nicht, ob Otto Schott beim Entwickeln unseres bernsteinfarbenen Borosilicatglases damals auch von Flusspferden inspiriert wurde. Die Wissenschaft hilft uns dabei, die Gesetze der Natur zu nutzen. Doch die Natur, die uns gerade aktuell vor akute Herausforderungen stellt, hat auch viele Lösungen parat. Wir müssen nur genau hinschauen. Und das ist meiner Meinung nach ein nachhaltiges Konzept."

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