Photo of a laboratory employee who holds a miniaturized medical implant with tweezers

Implantate fürs Leben

Gelähmte, die sich wieder bewegen, Taube, die wieder hören, Blinde, die wieder sehen können – keine Zukunftsmusik, sondern bereits Realität. Schnittstellen zwischen Hirn und Computer, sogenannte „BCIs“ (Brain-Computer-Interfaces), und aktive medizinische Implantate (AMIs) machen zuvor Unmögliches möglich. Durch miniaturisierte Elektronik können das Gehirn, aber auch Organe & Co., mit der Außenwelt, wie beispielsweise Computern, Prothesen und anderen Geräten, in Kontakt treten, Informationen liefern und Impulse erhalten. Die bidirektionale Kommunikation ist ein Gamechanger in der modernen Medizin und für betroffene PatientInnen oftmals die einzige Chance, ihre Lebensqualität zu verbessern oder gar ihr Leben zu retten. Produkte und Technologie-Lösungen von SCHOTT sind bei diesem medizinischen Fortschritt wichtige Ermöglicher.

Christine Fuhr, PR & Communications Manager at SCHOTT

Von Christine Fuhr

14 min read

Bahnbrechende Neurotechnologie: Hermetisch verkapselte Mini-Implantate ermöglichen PatientInnen langfristig wieder ein "normales" Leben.

  • Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCI) und aktive medizinische Implantate (AMI) revolutionieren die Medizin, indem sie z. B. Gelähmten sich zu bewegen, Tauben das Hören und Blinden das Sehen zu ermöglichen.
  • Seit der Erfindung des Herzschrittmachers hat sich die Medizintechnik weiterentwickelt. Experte Claude Clement erklärt, wie es dazu kam und gibt einen Einblick in das faszinierende Potenzial von Implantaten.
  • Die Glasverkapselungstechnologie von SCHOTT Primoceler ist der Schlüssel für medizinische Implantate der nächsten Generation, die biokompatibel und haltbar sind. Die innovative Technik ermöglicht kleinere, effizientere Implantate, die länger sicher im Körper verbleiben können.

Mit Neurotechnologie Lebensqualität verbessern

Rund 85 Milliarden von Neuronen im Gehirn machen den Menschen zum Menschen. Sie ermöglichen komplexe Denkvorgänge, emotionale Tiefe und das Bewusstsein, das uns von anderen Lebewesen unterscheidet, und steuern unsere Körperfunktionen. Jedes Neuron knüpft rund 10.000 Verbindungen zu anderen ähnlichen Zellen. Umwelt, Körper und Gehirn sind im Kosmos elektrischer Signale in ständigem Dialog. Das komplexe Netzwerk ist jedoch äußerst störanfällig, sei es aufgrund von Geburtsfehlern, Krankheiten, Unfällen, Degeneration oder altersbedingtem Abbau – mit gravierenden Folgen für Gesundheit und Wohlbefinden Betroffener.  

Neurologische Störungen zu mildern oder sogar zu beheben, ermöglicht seit den 1960er Jahren erstmals im Körper implantierte Elektronik. Der Fokus aktiver medizinischer Implantate (AMI) lag dabei primär auf der Behandlung von Herzerkrankungen. Der erste Patient mit Herzschrittmacher lebte weitere 43 Jahre, anstatt nur wenige Monate. In den Achtziger- und Neunzigerjahren folgten implantierbare Herz-Defibrillatoren.

Artistic representation of a neural network section against a blue background.

Die Erfahrungen mit kardialen Implantaten bildeten die Basis für Neuroimplantate, da sie Daten lieferten, wie der menschliche Körper auf Langzeitimplantation reagiert. „Die Erfolgsstory aktiver medizinischer Implantate startete im letzten Jahrtausend mit dem Zeitalter des Herzrhythmus-Mangements“, erläutert Claude Clement, Experte und freier Berater für aktive medizinische Implantate und Neurotechnologie. „Heute können Herzschrittmacher zur Stimulation und Überwachung durch drahtlose Fernkommunikation für PatientInnen individuell programmiert werden – ganz im Gegensatz zu Medikamenten, die „nur“ für den Durchschnittsmenschen hergestellt werden".  

Herzschrittmacher können mittlerweile durch Elektroden individuell programmiert werden – im Gegensatz zu Medikamenten, die für jede/n gemacht sind.“ Das 21. Jahrhundert markiert das Zeitalter der Neurotechnologien – mit komplexeren Entwicklungen wie Cochlea Implantaten für Gehörlose, elektromechanischen Implantaten für die Behandlung schwerer Inkontinenz, Tiefenhirnstimulation für Parkinsonerkrankte oder Rückenmarksstimulation für SchmerzpatientInnen.

Claude Clement, Retired Freelance Consultant for Neurotechnology, Stockholm, Sweden
Die Fortschritte in der Technologie werden bislang unerfüllte medizinische Bedürfnisse verringern und die Ergebnisse schlecht erfüllter drastisch verbessern.

Der Fall Alexis

Alexis Mayle aus Louisville, Kentucky, war 22 Jahre alt, als sich ihr Leben durch einen unglücklichen Sturz im Badezimmer komplett verändern sollte. Ihre Diagnose lautete „Trigeminusneuralgie", aufgrund ihrer fast unerträglichen Schmerzen auch bekannt als „Selbstmordkrankheit". Nach einer Hirnoperation konnte sie drei Monate schmerzfrei leben – bis ein Auto in ihren Wagen krachte. Der Schmerz war wieder da – jetzt dauerhaft. Ein Neurologe diagnostizierte ein komplexes regionales Schmerzsyndrom – und präsentierte Alexis zugleich eine Lösung. „Ich hatte nie davon gehört, dass man etwas anderes als Herzschrittmacher implantieren kann. Aber ich wusste, dass ich das vorgeschlagene medizinische Implantat von Medtronic unbedingt haben wollte. Es stimuliert meine Wirbelsäule, Reize auszusenden, die das Gehirn dazu bringen, sich auf die Empfindung, statt auf den Schmerz zu konzentrieren.“

Photo of the "trigeminal neuralgia" patient, Alexis Mayle
Dank eines Implantats, das im Rücken unter der Haut die Wirbelsäule stimuliert, hat Alexis ihr Schmerzsyndrom in den Griff bekommen. Foto: privat

Komplexe Symptome lindern

An seiner beruflichen Karriere schätzt Claude auch die vielfältigen praktischen Erfahrungen mit PatientInnen. Einer der ersten war vom Hals abwärts vollständig gelähmt. Er erhielt eine Gehirn-Computer-Schnittstelle an seinem motorischen Kortex, um seine Bewegungsabsichten zu lesen und diese mit der Bewegung eines Cursors auf dem Bildschirm umzusetzen. Claude berichtet: „Ein erster Schritt, um einer gelähmten Person Mobilität zu geben. Da er ein Computerfreak war, war er sehr daran interessiert, Teil unseres Entwicklungsteams zu sein.“  

Ein junger an Parkinson Erkrankter profitierte von der Tiefenhirnstimulation: Implantierte Elektroden stimulieren dabei dauerhaft bestimmte Gehirnregionen und unterdrücken durch Strom den für Parkinson typischen Tremor.  

Claude stellte den Fall seinem früheren Arbeitgeber Medtronic, der viel auf diesem Gebiet forscht, vor. Der Patient war mit einem Gerät zum Ein- und Ausschalten bereit zu zeigen, wer er ohne Stimulation ist. Innerhalb von Sekunden war er schwerbehinderte. „Er konnte die Fernbedienung nicht wieder einschalten. Also half ich ihm, wieder in seine stimulierte Situation zurückzukehren“, berichtet Claude. „Wenn man solchen Menschen begegnet, erkennt man den Wert seiner Arbeit.“

Photo showing a person holding a pacemaker in his hand.

Herzschrittmacher sind seit den 1960er Jahren verbreitet und helfen Patienten mit Herzkrankheiten

Photo showing a palm holding a tiny medical implant.

Winziges medizinisches Implantat

„Die Miniaturisierung, die seit den Anfängen aktiver medizinischer Implantate stattgefunden hat, können der klassische Herzschrittmacher im Vergleich zum modernen Mini-Implantat, nicht besser widerspiegeln“, zeigt Claude Clement.

Das große Engagement und die Leidenschaft des Ingenieurs, immer am Puls der Forschung, spiegeln sich unschwer in seiner Vita. „Meine spannendste Zeit verbrachte ich bei Medtronic. Hier wurden ausgefeilte Geräte entwickelt gegen Parkinson, Epilepsie sowie chronische Schmerzen, und wir testeten in präklinische Studien mit Einwilligung der Betroffenen.“ Bei seiner letzten beruflichen Station, dem Wyss Center in Genf, werden vorwiegend Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCIs) entwickelt. Mit ihnen werden Menschen mit ernsthaften Erkrankungen, etwa kompletten Lähmungen, durch Interaktion zwischen medizinischen Geräten und menschlichem Nervensystem behandelt. „Dort haben wir Neurotechnologie-Projekte in einem Umfang vorangetrieben, der wahrscheinlich der höchste in der Welt ist“, erklärt Claude.

Ein Leben für die Neurotechnologie

Claude Clément (*1955) stammt aus der französischsprachigen Schweiz. Er begann seine Karriere als Leiter der Entwicklungsgruppe für Wandler und Aktoren in der Forschung und Entwicklung der Swatch Group. In die Welt der Medizintechnik trat er ein, indem er die Diversifizierungsaktivitäten von Swatch auf dem Gebiet der tragbaren, programmierbaren Medikamentenpumpen leitete. Danach engagierte er sich 27 Jahre im Bereich der aktiven implantierbaren medizinischen Geräte: als Direktor für Fertigungstechnik bei Intermedics (heute Boston Scientific), als Betriebsleiter der Schweizer Niederlassung von Medtronic und später als Berater für große Unternehmen, vor allem im Bereich Herzschrittmacher, und für verschiedene hochinnovative Start-ups. Ab 1996 baute er die hochautomatisierte Fabrik von Medtronic im Genfersee-Gebiet auf: Das Werk ist der weltweit größte Standort für die Montage aktiver implantierbarer medizinischer Geräte und produziert große Mengen von Herzschrittmachern, Defibrillatoren und Neurostimulatoren.  

Bis 2014 war Claude CEO von MyoPowers, einem Start-up-Unternehmen, das ein elektromechanisches Implantat zur Behandlung schwerer Inkontinenz entwickelt hat. Anfang 2015 wechselte er als CTO an das Wyss Center for Bio and Neuroengineering. Er ist Gründer, Vorsitzender oder Vorstandsmitglied mehrerer Start-ups und kleiner Unternehmen und zugleich Vorsitzender der BioAlps Association, einem diversifizierten Life-Science-Cluster in der Westschweiz. Der Experte hat einen Master-Abschluss in Elektrotechnik von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (EPFL) in Lausanne, einen MBA von der HEC an der Universität Lausanne (Schweiz) und ist Autor des Standardwerks „Brain-Computer Interface Technologies“ (Springer Verlag 2019).

Photo of the retired Freelance Consultant for Neurotechnology, Claude Clement

Experten im Wyss Center sind generell der Ansicht, technologische Implantate im Gehirn seien eher kritisch und die technischen Hürden hoch. Im Laufe der Jahrzehnte leisteten Forschende allen Bedenken zum Trotz wahre Pionierarbeit. Elektroden, leistungsstarke Elektronik und Drahtloskommunikation kombiniert erlauben es, die Interaktion zwischen Gehirn, Nervensystem und Organe auszubauen – und damit in der Neurotechnologie neue Maßstäbe zu setzen.

BCI – Gehirn und Computer im Dialog

Klicken Sie auf die einzelnen Punkte, um mehr zu erfahren:
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Signale erfassen: Zur Überwachung der Aktionspotenziale von Neuronen werde verschiedene Methoden eingesetzt. Zu den nichtinvasiven Techniken gehören Elektroenzephalogramme und Nahinfrarotspektroskopie, während invasive Methoden in der Regel implantierte Elektroden verwenden.

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Signale entschlüsseln: Gehirnsignale werden in der Regel mit Hilfe von Algorithmen des maschinellen Lernens verarbeitet. Durch Mustererkennung wird anschließend ein Steuersignal erzeugt.

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Signale anwenden: Das Steuersignal löst eine Funktion in einem externen Gerät aus. Eine weitere mögliche Anwendung dieser Technologie ist die Stimulation des Gehirns über Gehirn-Computer-Schnittstellen.

Gehirn-Computer Schnittstellen (BCI) revolutionieren die menschliche Gesundheit. Die Komponenten können die Gehirnaktivität „lesen“ und das Gehirn stimulieren, um Fähigkeiten zu reaktivieren, die durch genetische Veranlagung, Unfälle, Krankheiten oder andere Ursachen verloren gegangen sind.

Je mehr Daten der Computer erhält, desto besser sind die Kommunikationsergebnisse. Die Technologie hat sich enorm weiterentwickelt: Zwischen 1950 und 2010 ist die Zahl der gleichzeitig erfassten einzelnen Neuronen exponentiell gestiegen und hat sich alle 7,4 Jahre verdoppelt. Aktuelle Daten zeigen einen Anstieg auf 106 gleichzeitig erfasste Neuronen.

AMI: Was technologisch möglich ist…

Cochlea-Implantate (CI)

bei Taubheit: Eine Elektrode in der Hörschnecke stimuliert die Neurorezeptoren des Innenohrs. Sie ist verbunden mit einer implantierten Elektronik, die Signale von einem externen Hörprozessor und einem Mikrofon erhält.

Tiefe Hirnstimulation (DBS)

zur Behandlung von Parkinson und anderen Bewegungsstörungen: Ein Impulsstimulator (IPS) Ein Impulsstimulator (IPS) wird in die Brust implantiert und mit Elektroden im Gehirn gekoppelt, um den Tremor zu unterdrücken.

Stimulation des Rückenmarks (SCS)

gegen chronische Rückenschmerzen: Elektrische Signale werden ans Rückenmark gesendet. Paddel-Elektroden sind mit einem IPS im Rücken verbunden. Die Simulation blockiert Schmerzsignale an Nervenwurzel.

Sakralnervensimulation (SNS)

gegen Harn- und Stuhlinkontinenz: Stimulation der Nerven durch Elektroden, die an ein IPG angeschlossen sind, ermöglicht die Fernsteuerung der Blase und der Schließmuskeln.

Vagusnerv-Stimulation (VNS)

zur Kontrolle bei Störungen aufgrund behandlungsresistenter Epilepsie und Depressionen. Weitere (neue) Anwendungen: posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), chronische Schmerzen und zur Erleichterung der Behandlung von Schlaganfällen: Die Stimulation des Vagusnervs erfolgt durch eine Manschettenelektrode, um den Nerv mit einem angeschlossenen IPG oder transkutan.

BCI zur Erkennung motorischer Bereiche im Kortex

(per BlackRock oder Utah-Array) zur Entschlüsselung von Bewegungsabsichten eines gelähmten Patienten und Aktivierung etwa eines Roboterarms oder direkter Stimulation des Arms.

Weitere zugelassene Geräte und Behandlungen von Erkrankungen des Nervensystems sind:

  • programmierbare implantierbare Medikamentenpumpen bei chronischen Schmerzen,
  • die Stimulation des Magennervs bei Fettleibigkeit,
  • Netzhautimplantate für völlig Erblindete zur visuellen Wahrnehmung,
  • Stimulierung des Schienbeinnervs bei leichter Harninkonsistenz mit externer oder implantierter Stimulation sowie
  • funktionelle elektrische Stimulation für einfache Bewegungen bei gelähmten Personen.

Mini-Implantate fit für Langlebigkeit machen

Im Vergleich zu Herzschrittmachern müssen Implantate für unser Denk- und Steuerungsorgan möglichst klein sein, um vom Körpergewebe nicht abgestoßen zu werden. „Miniaturisierung ist bei BCIs ein Muss, sonst kommt man nicht weiter“, betont Clement. Zudem steige aufgrund ihrer komplexeren Aufgaben auch die Notwendigkeit der Kommunikation nach außen oder umgekehrt. Für ihren Langzeiteinsatz müssen sie biokompatibel und -stabil sein, groß sei ohnehin das Risiko, dass der Körper das Implantat abstößt oder mit Gewebe verkapselt.   

„Das Hauptproblem besteht darin, Implantate vor Feuchtigkeit zu schützen. Und es ist nicht einfach, ein Implantat hermetisch zu verkapseln. Mit einer Titan- oder Glasverkapselung geht das, aber wir brauchen ebenso entsprechende Durchführungen: Drähte, die von innen nach außen oder von außen nach innen gehen, um die elektrischen Signale zu leiten. Wenn man viele dieser Kanäle hat, ist es nochmal schwieriger, eine Verbindung zur Außenwelt herzustellen. Der Schlüssel für neue Mini-Implantate-Technologien mit hochfrequenten Funkfrequenzen ist also eine effektive hermetische Verkapselung.“

Glas: Biokompatibel und hermetisch dicht

Fündig wurde Claude bei einem seiner Forschungsprojekte 2018 und der Kontaktaufnahme mit SCHOTT Primoceler Oy. Gesucht wurden extrem kleine, biokompatible und hermetisch dichte Verkapselungen zum Aufbau eines Netzwerks winziger Zellen im Gehirn, die miteinander kommunizieren und die Informationen wie ein Handynetz an die Außenwelt weitergeben sollten. „Natürlich waren sie etwas größer als wir es uns erträumt hatten, aber es war ein erster Schritt in Richtung einer neuen Technologie.“  

Die Glas-Micro-Bonding-Technologie des ehemaligen Start-Ups war ursprünglich für die Raumfahrtindustrie und die hermetische Abdichtung von Mikroelektronik für Weltraumanwendungen entwickelt worden. Jetzt wurde sie auf den Bereich der hermetischen Abdichtung von Medizinprodukten übertragen, ohne dass Prozesse grundlegend geändert werden mussten. „Es hat also hervorragend gepasst. Primoceler ist meiner Meinung nach immer noch der Technologieführer in diesem Bereich der Verkapselung von medizinischen Geräten“, erklärte Claude bei seinem Besuch im finnischen Tampere gegenüber Ville Hevonkorpi, dem Geschäftsführer von SCHOTT Primoceler Oy.  

Ville: „Mit unserem laserbasierten Glas-Micro-Bonding ermöglichen wir eine vollhermetische Abdichtung ultraminiaturisierter Implantate, sogar kleiner als 1 Millimeter.“ Die transparente, MRT-kompatible Glasverkapselung macht verdrahtete Verbindungen über Durchführungen praktisch überflüssig, da HF-Funkfrequenzen das Ganzglasgehäuse problemlos durchdringen. Damit können Komplexität und Größe von Komponenten nicht nur verringert, sondern Bauteile künftig drahtlos per Internet verbunden werden. Und, wie SCHOTT Primoceler Oy Produktionsleiter Ossi Lahtinen beim informativen Besuch Claudes im Reinraum erläuterte: „Der Laserprozess erfolgt bei Raumtemperatur, was neue Möglichkeiten für die Elektronik-Verkapselung eröffnet. Die hermetische Verschmelzung erfolgt ohne Additive oder Klebstoffe ausschließlich durch einen präzisen Laser, der die unterschiedlichen Glasschichten nur an den sich berührenden Flächen, also nur wenigen Millimetern, verbindet.“  

Glas kann als biokompatibles Material lange Zeit im Körper verbleiben. Dies ist eine Chance vom schwer zu miniaturisierenden Titan wegzukommen und zu einer Glaskapselung überzugehen, die im Batch-Verfahren hergestellt werden kann – womit große Stückzahlen an Geräten kostengünstiger produziert werden können. Durch standardisierte und stark automatisierte Prozesse bleibt die Qualität der Produkte konstant hoch. „Das könnte die Tür zu einer erweiterten Anwendung von Implantaten für Applikationen im Gehirn öffnen“, meint Implantat-Experte Claude.

Miniaturisierte Glasverkapselung ermöglicht neues Format von Implantaten

SCHOTT Primoceler‘s laserbasiertes Glas-Micro-Bonding bei Raumtemperatur ist eine bahnbrechende Ergänzung des SCHOTT Portfolios hermetischer Gehäusetechnologien. Gemeinsam mit Kunden werden passgenaue Lösungen für anspruchsvolle Anwendungen u.a. auch im Bereich Medizintechnik erarbeitet.

  • Hermetisch dicht
  • Miniaturisierbar und kompaktes Design
  • Keine Klebstoffe und Additive
  • Keine Umgebungswärme
  • Biokompatibel
  • Hohe Ausbeute und Replizierbarkeit






Photo showing wafer with lots of miniaturized implants

Viele Fragen noch ungelöst

Trotz Miniaturisierungs-Fortschritten und vielversprechenden Ideen ist es insbesondere aufgrund unklarer und risikobehafteter Finanzierung schwierig, die Neurotechnologie vom Labor in die klinische Praxis zu transferieren. Vor diesem Hintergrund ist Claudes Vision für aktive Implantate zurückhaltend. „Die Miniaturisierung der Elektronik schreitet weiter voran. Aber noch haben wir keine Antworten, wie Geräte ohne Batterie mit Energie versorgt werden. Oder wie wir mehr Funktionen realisieren können, ohne Lösung für die elektrischen Durchführungen, die Verkapselung, die Art des Kabels und der Stecker zu haben. Wir sollten weniger ehrgeizig sein und die neue Technologie für einfache Geräte einzusetzen, bevor wir an zu komplexen scheitern. Wir sollten eine Helikopterperspektive einnehmen und wirklich verstehen, wo wir auf Systemebene Fortschritte machen.“ Heute werde alle 15 Sekunden irgendwo auf der Welt Herzschrittmacher implantiert. Auf diese Weise kann man vielleicht eines Tages das Niveau der Implantierbarkeit eines Herzschrittmachers erreichen, so seine Hoffnung. Die neue Technologie sei noch lange nicht am Ziel. „Künftige Erfolge bei BCIs werden von der Beherrschung der Verkapselung, der Konnektivität und drahtlosen Kommunikation bestimmt.“  

Claude spricht sich kritisch gegen die viel diskutierte Vision von Unternehmen wie Neuralink aus, KI und Maschinen mit gesunden Menschen zu vernetzen, um deren Fähigkeiten zu verbessern, und argumentiert, dass vielmehr diejenigen, die es am nötigsten hätten, im Mittelpunkt künftigen technologischer Innovationen stehen sollten. "Sollten wir nicht besser versuchen, zuerst den Bedürftigen zu helfen?", fragt er.  

Die Worte der jungen Patientin Alexis würden seine Kritik sicherlich unterstützen. "Das Implantat hat mir mein Leben zurückgegeben. Die Schmerzen selbst und der Weg zur "Schmerzfreiheit" haben mich zu einem völlig anderen Menschen gemacht. Ich bin mitfühlender und einfühlsamer; ich schätze das Leben wirklich so, wie es ist.“


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